Hella De Santarossa - die Cross-Künstlerin
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Hella De Santarossa gehört zur neuen Generation deutscher Maler, die seit einigen Jahren wegen ihrer radikalen Hinwendung zur Sinnlichkeit der Farbe und zur spontanen expressiveren Geste starke Beachtung finden.

Ihre Bilder haben ihr längst international den Durchbruch gebracht. Hella De Santarossa malt nicht nur, sie arbeitet auch auf und mit Glas. Helmut Ricke sprach mit der in Berlin lebenden Künstlerin.


Selbstportrait vorm Selbstportrait

R.: Hella. Sie haben, im Gegensatz zu nahezu allen Mitstreitern aus den Gefilden der "hohen Kunst", keine Berührungsängste gegenüber Glas als Material für Ihre Arbeit. Ist das eine alte Liebe oder eine neue Entdeckung?

H.S.: Es ist eine alte Liebe und zusätzlich zu meiner Malerei auch immer wieder eine Entdeckungsreise.

Ich bin in vierter Generation in die Glasmalerfamilie Wilhelm Derix geboren, und meine Kindheit habe ich in der elterlichen Werkstatt verbracht. Dort habe ich mit Glas gespielt, es zu Formen zusammengesetzt und bemalt. Als Zehnjährige hatte ich mein erstes Gesamtkunstwerk bewerkstelligt: Ich baute ein 2 m hohes solides Steinhaus, wofür ich die farbigen Gläser aussuchte und zwischen den Steinen anordnete. Der äußere Anstrich wurde aprikorosa und innen türkis. Die Zweckbestimmung dieses Baus war ein Hühnerstall. Die zu kaufenden Hühner wurden von mir so ausgewählt, daß sie sich der gesamten optischen Wirkung unterordneten und sie bereicherten. Ein Szenarium von Behausung und Bewohnern. Dieses Werk ist heute noch erhalten und wird immer noch im gleichen Farbton übertüncht.

Zur gleichen Zeit entwarf ich auf Schreibpapier Glasfenster und übte mich in der Ätz- und Glasmalertechnik. Von diesen Werken bestehen noch zwei in Düsseldorf. In meiner Kindheit wurde ich wesentlich von Georg Meistermann beeinflußt, der bei uns ein- und ausging. Ich malte als Zwölf- jährige soviel, daß ich darüber vergaß, zur Schule zu gehen. Ich installierte Mini-Ausstellungen in unserem Haus und beschenkte die Künstler, die uns besuchten, großzügig damit. Ein großes Ereignis war für mich, als die Fenster von G. Meistermann für das Rundfunkhaus in Köln fertig wurden.

Nach der allgemeinen Schulausbildung qualifizierte ich mich auf der Glasfachschule in Hadamar. Dort wurden meine Entwürfe nicht immer gerade begrüßt. Wie ich mich erinnere, versuchte man mich dringend, von der Übersetzung eines Entwurfes in 1 : 1 abzuhalten. Doch ich war von meinem Tun vollkommen überzeugt und führte die ziemlich komplizierte Arbeit stur durch. Das in seinem Beginn aberkannte Kunstwerk wurde nach seiner Fertigstellung in der Schule als beispielhaftes Vorbild für künstlerische und handwerkliche Leistung herausgestellt

R.: Also Glas als Ausgangspunkt. Offenbar war Ihnen das aber ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr genug. Lag damals in der Entscheidung, auf die Berliner Akademie zu gehen, in der Entscheidung für Pinsel und Farbe, später für Film und manches mehr, so etwas wie eine Abwehr, ein Bemühen, aus dem möglicherweise als beengend empfundenen kunsthandwerklichen Bereich herauszukommen?

H.S.: Bei der künstlerischen Verwendung von Glas ist man durch die starke Dominanz des Handwerklichen in der Entfaltung seines Kunstvorhabens eingeschränkt - man kann auch das Gegenbeispiel anführen: In der Beschränkung liegt die Entfaltung. Das Material Glas hat solch einen bizarren Eigenwert, daß blendende Ergebnisse oft verblüffend schnell entstehen können. Darin steckt die Gefahr zum unpräzisen Ausdruck seines Anspruches - oder: Der platte Anspruch kann durch den Material- wert überspielt werden. Diese und andere Erwägungen waren ausschlag- gebend, nach Berlin zu gehen, als einer der ersten Studenten bei Professor K. H. Hödicke zu studieren und 1979 seine Meisterschülerin zu werden. Meine Erfahrungen in der Kunst wurden sehr stark aufgewühlt und durch neue Denkanstöße sowie Ausbau der Medien Fotografie und Film, die in meiner Arbeit wie von unsichtbarer Hand auftauchen, erweitert. Die ersten Bilder auf Leinwand und Nessel entstanden. Unsere Klasse war die Keimzelle der "neuen Wilden-, von denen ich mich wegen ihrer chauvinisti- schen Haltung 1981 lossagte.

R.: Dann aber wurde Glas plötzlich - oder vielleicht auch langsam - wieder interessant. Ging es da zunächst nur um Glas als Bildträger, als eine andere Form vor Malgrund oder liefen da zwei verschiedene Entwicklungen nebeneinander her? Wenn ich mir ältere Arbeiten von Ihnen ansehe, entspricht das so ziemlich dem, was man sich unter herkömmlicher Glasmalerei vorstellt. Heute ist das ja nun etwas ganz anderes. Sie sind von den Bleiruten weitgehend weg, und wenn ich das recht sehe, spielt sich jetzt wirklich viel als Malerei auf Glas ab, ist also dem was man als Maler auf Leinwand tut, viel näher gekommen, oder sehe ich das falsch?

H.S.: Von 1979 bis 1980 hielt ich mich mit dem Anette-Kade-Stipendium in Californien auf, wo meine Konzentration schwergewichtig auf Film und parallel Malerei, auch kreuzten sich die Medien, gelenkt war. Es entstanden die Filme "Pink Connection", "Und dann kommt der Pacific sowie die Malserie: "Die Transformation der U.S. Fahne-. Diese Bilder und Filme wurden im Goethe-Institut in San Francisco und im Amerika-Haus in Berlin und Heidelberg gezeigt.

Um das Zusammenspiel zwischen Glas und Malerei aufzuzeigen, muß ich auf vergangene Jahre zurückgreifen. 1981 entwarf ich die Preistrophäe des "Mies-van-der-Rohe"-Preises für den Flachglasverband: eine Glasplastik, die aus drei Scheiben besteht und in der ein fortwähren- des Bewegungsspiel stattfindet. Ich brachte die Glasedition "3 Scheiben" mit der Galerie Andes, Berlin, heraus. Parallel dazu malte ich die ersten Eckbilder, also räumliche Bilder. Es war die Serie der "Hit paintings" Es gibt also immer eine Korrespondenz zwischen Farben und Formen des Glases und solcher der Malerei. Die höchste ästhetische Stufe ist für mich. den Kontrast zwischen aquariner Transluzenz und deckenden Tönen herauszukitzeln.

Seit 1978 besteht unbewußt eine ständige Wechselbeziehung zwischen den Glasarbeiten und der Malerei. Doch auch schon 1973-74 ist dieser Zug erkennbar: Man vergleiche die Trennwände im Interconti in Genf - Ährenmotiv in einer geätzten Glascollage (3 m x 12 m) - mit parallel dazu entstandenen Tempera Bildern in Segmenten über Blumen oder Früchten in ihrer Veränderung. 1978-79 entstand die Glascollage Presseclub Bonn und vergleichsweise ab 1980 entstanden die Bilder der Transformation der U.S.-Fahne. Die Motivationen sind in der Malerei gezielt auf einen intellektuellen Gedanken, der in Farben und Formenausdruck sich jedoch in der Glascollage vereinigt. Das liegt daran, daß ich wie beim Presseclub mit einer projektbezogenen Auftragsarbeit zu tun habe, wo der Architektur und der Umgebung Rechnung getragen werden muß. So sind ästhetische und pragmatische Gründe in dem Fall in den Vordergrund getreten, im Gegensatz zur Malerei. Ich komme auf diesen Gedanken bei meinen 83-84er Arbeiten noch mal zurück.

R.: Das hat klar nachvollziehbare Zusammenhänge. Eins bedingt das andere. Inzwischen gibt es aber Projekte - ausgeführt ist leider von den großen Planungen noch nichts - die, vielleicht aus der Synthese der bisherigen Arbeit in beiden Bereichen, zu etwas ganz Neuem zu führen scheinen. Da wird mit Glaskörpern, Farbe und Raum gearbeitet. Faszinierende Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Glas und Wasser werden erprobt.

H.S.: 1983, nachdem ich die Materie Glas zwei Jahre nur wenig berührt hatte und mich in der Zeit intensivst mit Malerei und nebenher mit Film und dem Gedanken der Mißachtung der Frauen in der Kunst beschäftigt hatte. entwickelte ich meine Glas-Raumkörper weiter und arbeitete an meinen Glasspiegeln. Beide Sachen waren nicht im pragmatischen Sinne projekt- bezogen und ließen mir so mit einen großen Gedankenradius zu. See. Licht. Wind, Regen, Gewächse, Hängefassaden, Türme eignen sich für diese Projekte. Die Bewegung spielt für mich im Glas und in der Malerei eine große Rolle; ich denke an die Teenager-Bilder, Samba-Bilder und rück- greifend 1979 die Fahrrad-Bilder.

Was die Glasobjekte so reizvoll macht ist, daß ich dort die Bewegung nicht male, sondern, daß sie von den Naturelementen und von mir gesteuert erzeugt wird. Dieser Gedanke ist faszinierend. So faszinierend wie auch eine Performance ist, eine flüchtige Bewegung von Sprache, Licht, Musik, Menschen und Dingen und endlich auch ein Film, der unter anderem aus aufgezeichneten Bewegungen entsteht. Ich erzähle diesen ganzen Salmon über Bewegungen, da diese der Kernpunkt meiner Arbeiten sind. Dazu meint statement: Stabilität und Bewegung sind wie eine Spirale, sind unser Leben. Glas aus verschiedenen Schattierungen gesehen ist immer anders, doch es bleibt Glas. Die Farben entstehen aus mir wie sinnliches Sprudelwasser und die Formen ordnen sich teilweise dem Ziel und der Lust unter. Die Art, wie sich das Konglomerat später für den Betrachter ersichtlich vermittelt, soll humorvoll sein.

Nur im tiefen Ernst ist auch der Humor zu Hause. Einer meiner geistigen Väter ist Charlie Chaplin. Meine Liebe gilt ihm. Sie werden sich fragen, was das noch mit Glas zu tun hat, 'ne Menge!

Glas ist eine Materie, mit der man am taktischsten umgehen muß. Warum? - das fragte ich mich auch noch vor einigen Tagen. Dazu eine kleine story von zweien meiner Mitarbeiter, die nicht mit Glas zu tun haben. Einer transportierte im Auto eine Glascollage, sie kommt in Scherben an. Der Fotograf, der zum Teil diese Fotos machte, brachte es während der Fotoarbeiten fertig, zwei meiner Glasobjekte zu zerbrechen. Sie werden mir sagen, du hast aber Deppen gehabt! Ne, es waren sehr nette, vor- sichtige Leute. Glas als bissiger Hund?

R.: Ich finde diese Projekte äußerst aufregend. Gibt es eine Chance zur Verwirklichung?

H.S.: Klar!



Extract from "The wild one" by Dr. Bettina Krogemann "New Glass" 1/1999